Edith Tar 

 

wurde am 8. Mai 1944 in Biela geboren, Kreis Tetschen-Bodenbach, heute Tschechische Republik.

 

Im November 1945 mußte ihre Familie die Heimat verlassen.

Sie wuchs in Lucka auf (damals Bezirk Leipzig, heute Thüringen) und absolvierte nach Schulabschluss eine Berufsausbildung als Chemielaborantin. Um 1962 zog sie nach Leipzig und holte das Abitur an der Abendschule nach.

 

Ein Studium im Fach Fotografik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig hat sie 1976 mit Diplom abgeschlossen. Seitdem war sie freiberuflich als Künstlerin in Leipzig und verschiedenen Orten Europas tätig, bis 1992 auch in ihrem Berliner Atelier am Prenzlauer Berg.

 

Edith Tar ist am 6. Mai 2021 in Leipzig nach kurzer und schwerer Krankheit in Leipzig gestorben.

 

Zusammenarbeit mit dem Dichter, Zeichner, Performer und Videokünstler Radjo Monk seit 1986, mit dem Edith Tar seit 1998 verheiratet gewesen ist..

 

Erweiterung des Kunstbegriffes nach 1990; zuvor lag der Schwerpunkt auf der fotografischen Arbeit in den Genres Portrait, Landschaft und Reportage. Ausstellungen waren stets Anlass, mit Präsentationsformen zu experimentieren, Schrift und Grafik einzubeziehen, visuelle Konstrukte mit akustischen Ebenen zu koppeln.

 

Manifestation der Ideenwelt in den 1990er Jahren u.a. in der Öko-Performance memento vivere, realisiert im Tagebau Markkleeberg und begleitet von einer intensiven Auseinander-setzung mit den Möglichkeiten der landart. Eine wichtige Erweiterung spiegelt sich im schon erwähnten Langzeitprojekt Der Revolutionstisch – Eine Soziale Plastik, das im Herbst 1990 in Glasgow mit 30 LeipzigerInnen Premiere hatte. Ein weiteres Beispiel ist das Rechercheprojekt Wurzeln Europas/der Gral, dessen Ergebnisse in zahlreiche Ausstellungen, Filme und Events eingeflossen sind. Ab Ende der 90er Jahre kam es erneut zu einer Konzentration auf fotografische Projekte als Serien, die in sich abgeschlossen realisiert wurden.

 

Die Palette von Werkzeugen, Formen und Techniken hat sich stetig erweitert. Zu Fotografie und Installation kam u.a. der Videofilm, wobei ihr Schwerpunkt auf Regie und Kamera liegt. In den letzten 12 Jahren entstanden viele Projekte in intermedialer Verschränkung und oft in intensiver Zusammenarbeit mit Radjo Monk.

 

 

Reisen und Arbeitsaufenthalte führten vor 1989 in die Sowjetunion sowie in osteuropäischen Länder und stehen auch nach 1990 in enger Wechselwirkung mit dem Gesamtschaffen. 1992-94 Wohnung in Feldafing, geisteswissenschaftliche Studien in München. Von dort aus Studienreisen nach Italien, Österreich, Schweiz, Irland, Griechenland, Tschechien und Kroatien. 1996-2018 Arbeitsaufenthalte in England, Spanien, Frankreich, Israel, Polen, Schweden, Malta, Russland sowie an verschiedenen Orten in Deutschland. Hervorzuheben ist Mallorca als temporärer Schaffensmittelpunkt zwischen 2000 und 2001 mit der Arbeit an Mare Nostrum. Entscheidenden Einfluß auf das Werk hatten seit 2004 wiederholte Reisen und Arbeitsaufenthalte in verschiedene Regionen der Alpen zur Arbeit am Konzept Die Heiligen Berge, das 2015 im Berchtesgadener Land mit nelly@obersalzberg.de einen Abschluss fand.

 

Ruhe und Sammlungspunkt war seit 1987 eine Klause im Thüringer Wald, wo Projekte entwickelt werden oder auch ihren letzten Schliff bekommen.

 

 

Kommunikative Aktionsfelder bildeten eine zentrale und produktive Schnittstelle zwischen Biografie und den diversen Arbeitsgebieten, die verspannt gewesen sind mit dem von Joseph Beuys in die moderne Kunst eingeführten Begriff der „Sozialen Plastik“. So zog sich beispielsweise das  Langzeitprojekt Der Revolutionstisch - Eine Soziale Plastik seit 1990 durch das Gesamtwerk und tangierte andere Werkstränge wie das Archivprojekt Zeitkapsel, das beständig weiterentwickelt wurde und bei Gesprächspodien, Lesungen und Events als Videoprojektion zum Einsatz kam.

 

Der Fokus richtete sich in den letzten Jahren immer wieder auf Dinge, die den verschiedenen Arbeitsfeldern einen roten Faden gestiftet haben. 2002 wurden vom Hochwasser bei Grimma angeschwemmte Dias als objet trouves zum Basismaterial für die Serie Cappuccetto Rosso. 2003-2004 wurde in der Serie Nelly in Weimar eine rosa Tasche zum Synonym für einen weiblichen Umgang mit Fragen nationaler Identität und ihren Symbolen. Die gleiche Tasche taucht ab 2011 im Projekt Die heiligen Berge wieder auf. 2009, 2014 und 2019 stand Der Revolutionstisch - Eine Soziale Plastik im Mittelpunkt. In Ausstellungen, Events und Installationen in der HALLE 14, der Nikolaikirche Leipzig und in der BStU-Außenstelle Leipzig wurde das Kunstwerk jeweils modifiziert präsentiert, hinterfragt und als historischer Zeitzeugenacker mit neuen Fragen gedüngt.

 

Die Dominanz der Dinge führte 2011 zur Arbeit an der Raumskulptur Ausflug der Laienspielgruppe in die Pelztierfarm nach Pau. In einem skulpturalen Crossover von Möbeln, Fotos, Werkzeug und anderen Fragmenten aus einem aufgelösten Sozialfeld kreisen hier die Assoziationen um Wohnraum als Selbstinszenierung, der Tarnkappe und Bloßstellung in einem ist.

 

Die Frage nach existentiellen Situationen mündete 2016 in das laufende street-art-Projekt Ich lasse dich nicht du segnest mich denn, das dem der Fotografie wesenseigenen Impuls der „Momentaufnahme für die Ewigkeit“ nachspürt und gleichzeitig den Gedanken der Portraitfotografie weiter entwickelt.

 

Letzte umfassende Präsentationen: 2017 das Videotriptychon Matrix Luther im Stadtmuseum Erfurt und das in der „Runden Ecke“ (BStU-Außenstelle Leipzig) gezeigte Intermediale Ausstellungs - und Zeitzeugenprojekt An den Pontischen Hängen von Lebus, das zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 fast 15.000 Besucher zählte.

 

Aktuell stehen pandemiebedingt internetbasierte Arbeiten im Zentrum, die mit den oben aufgeführten Werkgruppen verwoben sind.

 

Statement Edith Tar zu ihrer Arbeitsweise: „Wenn du den Autopiloten abschaltest, kannst du in jede x- beliebige Richtung fliegen".

 

Publikationen: Die Spur des Anderen* 1992 │Last Minute* 2000│ Cappuccetto Rosso 2003 │ Nelly in Weimar 2004│ Erwachen in Jerusalem* 2013 │Wir sind das Volk* 2014 │Fischers Fisch* 2017